Sonnabend, 11. Oktober 2003
Der Tag der Tram und Metro. Ohne offizielles Programm, tut jeder was er möchte. Ich
möchte zu den Jugendstilhäusern und auf die Prager Rakete, den Fernsehturm. Zum ersten
Mal tritt mein kleiner, praktischer Faltplan in "action" und er macht das
ausgezeichnet. Die Jugendstilhäuser sind zum größten Teil renoviert und wunderschön in
Farbe. Wohltuend wirkt dieser Stil mit seinen floralen Motiven und stilisierten Formen
nach all den Putten und Schnörkeln auf mich. Mir fällt auf, daß überall in Prag die typische Schrift des
Jugendstils, die Arnold Böcklin in ihrer ursprünglichen Erhaltung, aber auch
auf den modernen Reklameschildern und Beschriftungen, zu sehen ist.
Durch einen Park sind wir hierher gelangt und
durch ein Rondell mit einer einsamen,Tauben fütternden Frau, kommen wir zu dem
Fernsehturm. Hypermodern, will er nicht so recht in die Stadtlandschaft passen. Auch die
wasserköpfigen, schwarzen Embryos, die scheinbar den Turm herauf und hinab krabbeln,
wollen uns nicht gefallen. Wunderschön ist es hier oben. Die Aussicht geht über das
ganze Prag, die Moldau und den Hradschin, bis hin zu den umliegenden Höhenzügen.
Aber auch die Bausünden der Nachkriegszeit
präsentieren sich im Schein der Oktobersonne. Der Fahrstuhl bringt uns wieder zu dem
unten wartenden Walter. Wir suchen einen Tabakladen, um Tickets für die Tram zu kaufen,
fahren aber dann mit der Metro. In einem Höllentempo rasen wir die Rolltreppe hinab in
die Unterwelt. Am Altstädter Ring befördert uns die abenteuerliche Rolltreppe in die
Oberwelt, und nun sind wir wahrhaftig nicht mehr einsam. Es ist ja heute Sonnabend und die
Sonne scheint auf Tausende Touristen aus Deutschland, Spanien, Italien, Amerika und
Japanesien, die alle zur Karlsbrücke strömen.
Inzwischen ist es schon nach 12.00 Uhr und von
Georg nichts zu sehen. Doch als wir uns mit dem Strom der Sehleute über die Brücke
treiben lassen, leuchtet uns Georgs gelbes "Hemd" entgegen. Wir wollen am
späten Nachmittag auf der Burg oder in der Georgs-Basilika musizieren. Also ist noch
genug Zeit zur eigenen Verfügung. Und nun meldet sich auch der Hunger.
Ein riesiger Salatteller hilft uns wieder auf die
Beine.Die Frauen wollen shoppen und Ingrids Traum von den Granaten soll nun endlich in
Erfüllung gehen. Ursel und Eva stehen ihr dabei freundschaftlich zur Seite. Sie fahren
dann anschließend mit der Metro auf den Hradschin. Dieter, Hilmar, Georg und ich machen
uns auf den Weg zur Deutschen Botschaft, um uns den legendären "Genscherbalkon"
anzusehen. Der "Trabbi auf Beinen" steht im Schatten der Bäume im
Botschaftsgarten. Und es wird nicht mehr lange dauern, dann ist er zugewachsen.
Es wächst also, im
wahrsten Sinne des Wortes, Gras über die Geschichte.
Das Wetter zeigt sich von der besten Seite und je
höher wir steigen, desto schöner wird der Ausblick über Prag. Auf der Burg angekommen,
müssen wir dann leider feststellen, dass wir hier nicht blasen können und dürfen.
Schade. Dafür haben wir nun genug Zeit die Sehenswürdigkeiten auf dem Hradschin zu
genießen.
Wir schlendern an der Gartenseite des
Alten Königspalastes entlang, mit der herrlichen Aussicht über das in der
Nachmittagssonne liegende Prag. Wir wollen nun durch das Goldene Gäßchen wieder hinunter
zur Kleinseite. Das Gedränge und das Schilderhäuschen mit den
Eintrittskarten-Verkäufern hält uns davon ab.
Also steigen wir die vielen
Treppenstufen mit unseren pflastermüden Füßen hinunter, wobei sich Georg ausklinkt, um
mit dem Pfarrer Tillinger unser morgiges Blasen in der St Michaelkirche zu beschnacken.
Wieder gehts auf die Suche nach einem Ticketladen und dann bringt uns die Tram ganz
schnell ins Green Garden. Abendessen ... Verteilung der Tickets für die Fahrt ins Theater
... Umziehen für die Gala ... Metrofahrt mit Umsteigen ... und nun sinken wir in die
roten Plüschsitze und genießen das Puppentheater. Mozarts Giovanni. Wunderbar, mit viel
Esprit.
Schön wars! Wieder ein
Highlight dieser Reise. Nun noch das letzte Metro-Abenteuer, zurück zum Hotel und ein
letzter Schoppen findet nicht mehr statt. Es ist zwar verlockend, aber Oma und Opa sind
todmüde. |